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„Winter in Kanada, so weit war das Land…“ 60er Jahre Schlager von Elisa Gabbai. Ich stand vor dem Radio und längst vergangene Augenblicke meines Lebens tauchten aus der Erinnerung. „…es war Winter in Kanada als mein Herz dich fand“. Radio Luxemburg, der erkaltete Griesbrei mit der zähen Haut, lose Milch in der Kanne, die Honigmuschel und der Anorak mit dem ausknöpfbaren Teddyfell, der fliegende Robert und die lachenden Fische …. Wahrnehmungen im Zeitstrom der Vergangenheit, lebendig die Bilder zogen an mir vorbei. Ich setzte mich eingesponnen in ein Netz von Illusionen und Tagträumen, zeitlich konnte ich mir das erlauben. Der Blickwinkel unter dem wir etwas sehen, zentrale Rolle zur individuellen Erfahrung, zur eigenen Deutung des Gesehenen, etwas das in direkter Verbindung zum spielerisch Erfahrenen aus frühester Kindheit steht. (Du bist was du siehst.) Ich saß bequem, Erzählungen, Zeitschriften, Kataloge zogen mit ihren Bildern an mir vorbei, Jens Rehn „Der Zuckerfresser", Teetjes schwarze Knopfaugen, Karl Günter Hufnagel “Worte über Straßen“, da warst du drin in diesen Geschichten, der Regen matt glänzend auf dem Asphalt, wenn sie ihren tropfnassen Pullover über den Kopf zieht.
Oder längst vergangenes, Phillip Otto Runge „Die Hülsenbeckschen Kinder“, Reflexionen aus dem verlorenen Paradies, die Kinder vor den Gartenzaun gestellt, Sonnenblumen, der versonnene Blick auf Augenhöhe mit dem Betrachter, das kindliche Verhältnis zur Umgebung, greifbarer Umgang mit dem Spielzeug, Teilhabe an ihrer Erfahrungswelt, Handeln und Vergessen, einer Seifenblase gleich im Lichte funkeln, zerplatzen, ein Nichts das bleibt. Darstellung des Unbewussten im Spiel der Kinder.
Das
Spiel der Kinder im Garten
wird zum Kindergarten, Paradiesgarten, aber wie heitere
Paradiesvögel sehen
viele Kinder nicht aus, gestern und heute, trotz Kinderkarate und
Kinderkochen,
Ritalin und Revision der Kinderbildungsgesetze. Paul Klee
hält den Da
geht einer die Straße entlang
Brot in der Hand, geht hinauf in seine Wohnung wo er das stundenlange
herumlungern mit den Katzen fortsetzen wird, der Blick aus dem
geöffneten
Fenster, die Fassaden der Häuser gegenüber, dunkle
Flecken, Stille, eine
Wasserkaraffe auf
dem Tisch, Stubenlicht und immer wieder
diese grenzgängerischen Gedanken. Das ist der junge Balthus.
Auf seinem Bild "Le Passage du Commerce Saint Andrè“, Inszenierung von Jugend
und Alter, Kind
und Greis,
generationsübergreifende
Metamorphose. Ewigkeit - ( Hallo, woran wollten Sie mich erinnern? ) „…und die Fischlein alle drei strecken`s Köpflein aus der Flut, lachen das man`s hören tut.“ Bezugspunkte Die
Aufhebung der Kategorien im
Spiel, Verzicht primären Bewusstseins, nicht
wissen wollen. Die Handlung
als
Ergebnis des Spiels oder die Wiederholung der Bilder im Spiel,
“even flamingos look
always the same „ Mir fielen die Phantasiemanöver Anton Reisers ein, seine Durchmusterung von Blumen und Pflanzen mit eisernem Zepter. Er faltet Papierhäuschen und stellt sie aneinander zu einer Stadt, zündet sie an auf dem Boden seiner Studierstube und verharrt mit feierlichem Ernst beim Anblick der zurückgebliebenen Aschehaufen, der Jesusknabe in der Schiebekarre. Also ein wiederholen der Kindheitsspiele im Erwachsenenalter. Flucht und Zuflucht in ihre Phantasie, wer darin nicht sich selbst vergisst, war nie darin. Brandenburg
im Spätsommer,
Sonntagnachmittag. Die Kirche in Bornstedt. Ich stand an Gundling`s Grabstein, der Hase
hält die Ohren steif, lustiges Begräbnis, sein
Faß im
märkischen Sand nährt den Birnbaum an der
Dorfstraße. „... und kommt ein Jung
übern Kirchhof her, so flüsterts im Baume: Wiste ne Beer ?
Und kommt ein
Mädel, so flüsterts: Lütt Dirn, kumm man
röwer, ick gew di ne Birn „.
Th. Fontane Reflexionen vom verlorenen Paradies, Spiele vor der Vertreibung. „…ein leichtes Lächeln um seinen weichen Mund schien anzudeuten, dass er wohl wisse, es handle sich nur um ein Spiel, aber desto ernsthafter war er im Übrigen bei der Sache, vielleicht war es auch gar kein Lächeln sondern das Glück der Kindheit, das seine Lippen umspielte.“ Hans Brunswick in Kafkas Schloss. Das
Glück der Kindheit,
was später kommt entscheiden Botenstoffe, die meist schon darauf drängen
an soziale
Erwartungen angepasst zu
werden. Die effektive Anpassung des Heranwachsenden an den sozialen
Standard
bändigt sein vorrationales Spiel und
überführt ihn in die schlaue Nützlichkeit
des Alltags . . . stand
irgendwo
geschrieben, aber meine
Gedanken
verloren sich beim Blick aus dem Fenster.
Draußen war es dunkel geworden, ich
löste mich aus meiner bequemen
Position, das Spiel geht
weiter „morgen
früh wenn Gott will wirst du wieder geweckt
. . .“
nach weinen kommt lachen und
wenn es Tränen kostet, das ist nicht Glück oder
Schmerz, sondern die
Illusion von Glück oder Schmerz. Adoleszenz, 50 x 70 cm
September 2010 Copyright by Martin Keßner, alle Rechte vorbehalten, keine Bild- und Textnutzung ohne vorheriger Absprache mit dem Urheber! Nach oben |